BUSINESS NEWS
Mit geschätzten 800 Millionen Schweizer Franken Umsatz allein für Temu im Jahr 2024 wird eines überdeutlich: Die Kaufkraft der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten fließt in erheblichem Masse an internationale, insbesondere chinesische E-Commerce-Plattformen ab. Diese Entwicklung stellt etablierte Schweizer Händler und Marken, die in den Schweizer Markt eintreten wollen, vor immense Herausforderungen. Passivität ist keine Option. Was jetzt zählt, sind durchdachte Strategien zur Abgrenzung, zur Stärkung der eigenen Position und zur Sicherung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit.
Die E-Commerce-Landschaft befindet sich im stetigen Wandel, doch der Vormarsch aggressiver Akteure wie Temu, Shein und AliExpress markiert eine neue Eskalationsstufe. Diese Plattformen verändern nicht nur die Marktanteile, sondern auch das Einkaufsverhalten der Konsumentinnen und Konsumenten nachhaltig.
Marktverlagerung durch aggressive Player: Die schiere Marktmacht und das Marketingbudget dieser globalen Giganten führen zu einer signifikanten Verschiebung. Lokale Anbieter kämpfen zunehmend um Sichtbarkeit und Marktanteile.
Konsumentenverhalten verschiebt sich rasant: Angelockt durch extrem niedrige Preise, eine schier endlose Produktauswahl und aggressive Werbekampagnen, orientieren sich immer mehr Käuferinnen und Käufer in Richtung dieser asiatischen Plattformen. Die Erwartung an Preise und Produktverfügbarkeit verändert sich.
Lokale Anbieter verlieren Sichtbarkeit und Marge: Der Preiskampf, den diese Plattformen entfachen, setzt die Margen lokaler Händler massiv unter Druck. Gleichzeitig wird es schwieriger, in den Suchergebnissen und auf Werbeplattformen gegen die Marketingmacht der Giganten zu bestehen.
Die Präsenz internationaler Wettbewerber ist per se nichts Neues. Problematisch wird die aktuelle Entwicklung jedoch durch das Ausmaß und die spezifischen Mechanismen:
Umsatzverlagerung auf nicht-europäische Plattformen: Ein signifikanter Teil der Konsumausgaben fließt direkt ins Ausland, vorbei an der lokalen Wertschöpfungskette. Dies hat Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und die gesamte Schweizer Handelslandschaft.
Konsumenten erwarten Preise und Services, die lokale Anbieter kaum erfüllen können: Die Tiefstpreisstrategie, oft ermöglicht durch unterschiedliche Produktions- und Regulierungsstandards, schafft eine Erwartung, der lokale Händler nur schwer begegnen können. Der Druck entsteht dabei weniger durch Service-Erwartungen wie kostenlosen Versand – dieser wurde bereits vor Jahren durch Player wie Zalando im Markt etabliert und ist heute Standard. Die eigentliche Herausforderung für Schweizer Händler ist es, dem reinen Preisdruck standzuhalten, ohne die eigene Existenzgrundlage durch schrumpfende Margen zu gefährden.
Der Erfolg von Temu, Shein und Co. basiert auf einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren, die es zu verstehen gilt:
Zollvorteile durch Umgehung von Regelungen: Theoretisch müssten für Importe Zoll und Mehrwertsteuer anfallen. In der Praxis werden Sendungen jedoch oft mit einem zu tiefen Warenwert deklariert, um Zollfreigrenzen einzuhalten oder Abgaben zu minimieren. Die schiere Masse an Paketen macht eine lückenlose Kontrolle durch den Zoll aktuell unmöglich.
Professionelles Auftreten trotz Qualitätslücken: Die Plattformen präsentieren sich modern und benutzerfreundlich. Die dahinterstehenden Qualitäts- und Sicherheitsstandards der Produkte entsprechen jedoch häufig nicht den europäischen oder Schweizer Normen. Dies wird von vielen Konsumenten aufgrund des Preises in Kauf genommen, birgt jedoch erhebliche Risiken, insbesondere bei bestimmten Produktgruppen.
“Besonders kritisch sehen wir Textilien, die oft stark nach Chemie riechen, und Kinderspielzeug, das in der EU strengen Regeln unterliegt, die hier nicht eingehalten werden. Auch bei Elektronikartikeln ist Vorsicht geboten: Ein CE-Zeichen ist schnell aufgedruckt, garantiert aber keine Konformität. Das Gleiche gilt für Kosmetik oder Nahrungsergänzungsmittel, bei denen Vertrauen und geprüfte Inhaltsstoffe entscheidend sind.” - Jens Bergermann (Gründer von SURS)
Schnelligkeit und Sortimentstiefe als Differenzierungsmerkmale: Die Fähigkeit, Trends extrem schnell aufzugreifen und ein riesiges, sich ständig änderndes Sortiment anzubieten, spricht vor allem jüngere, preissensible Zielgruppen an. Die Logistikketten sind dabei auf maximale Effizienz und Geschwindigkeit vom Produktionsort zum Konsumenten getrimmt.
Die ungleichen Wettbewerbsbedingungen bleiben nicht ohne politische Reaktionen. Es gibt zunehmend Bestrebungen, fairere Spielregeln zu etablieren:
Beispiel USA: Zollwende und Preisanpassungen: In den USA gibt es bereits politische Initiativen, die Zollfreigrenzen für Direktimporte aus China zu überdenken oder abzuschaffen, was zu spürbaren Preisanpassungen führen könnte. Ähnliche Diskussionen werden auch in Europa geführt.
Forderungen an Politik: Fairness bei Zoll, MwSt., Produktsicherheit: Von Wirtschaftsverbänden und Unternehmen werden verstärkt Forderungen an die Politik laut, für gleiche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Dies betrifft die konsequente Erhebung von Zoll und Mehrwertsteuer, aber auch die Einhaltung von Produktsicherheitsstandards und Konsumentenschutzrechten.
Angesichts dieser Entwicklungen müssen Schweizer Händler und Marken, die hier erfolgreich sein wollen, aktiv werden und ihre Strategien anpassen:
Lagerhaltung und Logistik in der Schweiz ausbauen: Eine lokale Lagerhaltung ermöglicht schnelle Lieferzeiten innerhalb der Schweiz 1–2 Werktage) und eine zuverlässige Abwicklung. Dies ist ein klarer Vorteil gegenüber langen Lieferzeiten aus Asien und schafft Vertrauen bei den Kundinnen und Kunden.
Sortiment durch Qualität differenzieren: Statt in den reinen Preiskampf einzusteigen, müssen Händler auf Qualität, Einzigartigkeit und Zuverlässigkeit setzen. Der entscheidende Unterschied liegt nicht in Nischenprodukten – chinesische Hersteller können fast alles produzieren –, sondern im Prozess. Ein seriöser Händler investiert in Qualitätskontrolle, prüft Muster und kennt seine Hersteller. So wird sichergestellt, dass der Kunde einwandfreie Ware erhält.
“Wer bei Temu zehn Artikel bestellt, erhält vielleicht drei gute, zweimittelmäßige und fünf unbrauchbare. Die Trefferquote ist gering. Ein europäischer oder Schweizer Händler, der seine Prozesse im Griff hat, strebt eine Trefferquote von zehn von zehn an. Dieser Qualitätsanspruch und die damit verbundene Zuverlässigkeit sind der stärkste Hebel zur Abgrenzung.” - Jens Bergermann (Gründer von SURS)
Service & Kundenkommunikation als USP nutzen: Persönliche Beratung, ein erstklassiger Kundenservice in der Landessprache, unkomplizierte Retourenabwicklung und Garantieleistungen sind entscheidende Differenzierungsmerkmale. Hier können lokale Anbieter ihre Nähe zum Kunden ausspielen.
Eine Zusammenarbeit mit Plattformen wie Temu, um deren Reichweite zu nutzen, ist für seriöse Schweizer Händler kritisch zu bewerten und kaum empfehlenswert:
Business Chance vs. Reputationsrisiko: Eine Listung auf Plattformen, die oft mit minderwertiger Qualität in Verbindung gebracht werden, kann das eigene Markenimage beschädigen.
Preisdruck und mangelnde Kontrolle: Temu übt massiven Preisdruck auf seine Händler aus, um die Tiefstpreise zu garantieren. Zudem ist die korrekte Abwicklung von Zoll und Mehrwertsteuer eine große Herausforderung, da viele Verkäufer auf der Plattform durch falsche Deklarationen versuchen, Kosten zu umgehen. Sich in ein solches Umfeld zu begeben, birgt erhebliche Compliance-Risiken.
Im Umgang mit der neuen Marktdynamik lauern einige Fallstricke, die es zu vermeiden gilt:
Passivität im Marktumfeld: Die Hoffnung, dass sich das Problem von allein löst oder die eigene Kundschaft treu bleibt, ohne dass man aktiv wird, ist trügerisch.
Preisdumping ohne Qualitätsversprechen: Zu versuchen, die Preise der chinesischen Plattformen mitzugehen, ohne eine klare Differenzierungsstrategie bei Qualität oder Service, führt meist in eine Abwärtsspirale.
Unkenntnis über regulatorische Anforderungen: Wer Produkte in die Schweiz importiert und verkauft, muss die hiesigen Gesetze und Vorschriften kennen und einhalten – ein Bereich, in dem SURS umfassend unterstützt.
Die chinesische Konkurrenz durch Plattformen wie Temu, Shein und AliExpress ist eine Realität, die den Schweizer E-Commerce-Markt nachhaltig verändert. Statt in eine Schockstarre zu verfallen, sollten Händler und Marken dies als Weckruf verstehen, ihre Strategien proaktiv anzupassen.
Jetzt investieren, differenzieren & lokalisieren: Investitionen in eine lokale Präsenz (Lager, Service), ein klar differenziertes, qualitativ hochwertiges und konformes Sortiment sowie eine auf den Schweizer Markt zugeschnittene Kundenansprache sind entscheidend.
Zusammenarbeit mit einem Vertriebspartner für die Schweiz prüfen: Ein erfahrener Partner wie SURS kann den Markteintritt oder die Optimierung der Distribution in der Schweiz erheblich erleichtern, von der Logistik über die Marktplatzanbindung bis hin zur Einhaltung aller regulatorischen Anforderungen.
Branchenwissen aktiv nutzen: Informieren Sie sich kontinuierlich über Marktentwicklungen. So veröffentlicht beispielsweise Jens Bergermann regelmäßig Artikel zum Thema auf LinkedIn, die wertvolle Einblicke bieten. Der verlinkte NZZ- „Temu in der Schweiz mit 800 Mio. Umsatz – SECO reagiert“ liefert zudem wichtige Hintergrundinformationen zur aktuellen Marktlage.
Nutzen Sie die aktuellen Herausforderungen als Chance, Ihr Geschäftsmodell zukunftsfähig aufzustellen und sich im Schweizer Markt erfolgreich zu positionieren.
Wie hoch ist der Umsatzanteil von Temu in der Schweiz?
Genaue offizielle Zahlen sind schwer zu bekommen, aber Schätzungen, wie die im NZZ-Artikel genannten 800 Millionen CHF für 2024, deuten auf einen bereits signifikanten und schnell wachsenden Marktanteil hin.
Hauptgründe sind oft die extrem niedrigen Preise, die riesige Produktauswahl und aggressive Marketingkampagnen. Bequemlichkeit und der Entdecker-Aspekt spielen ebenfalls eine Rolle.
Für die meisten Schweizer Händler und Marken dürfte dies aufgrund von Reputationsrisiken, Preisdruck und Compliance-Herausforderungen eher unrealistisch und nicht empfehlenswert sein.
Besonders unter Druck stehen der gesamte Fashion- und Textilbereich sowie Zubehör für Elektronik, z. B. Handyhüllen, Ladekabel) und kleinteilige Artikel aus dem Bereich Home & Living. Besser geschützt sind aktuell noch Produktgruppen, bei denen Vertrauen und Haptik eine große Rolle spielen, wie Kosmetik, Matratzen oder große Möbel, da hier die Qualitäts- und Service-Erwartung der Kunden höher ist.
Die Politik steht vor der Herausforderung, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, z. B. bei Zoll und MwSt.) und gleichzeitig Konsumentenschutz (Produktsicherheit, Datenschutz) zu gewährleisten, ohne den internationalen Handel übermäßig zu behindern. Die Diskussionen hierzu laufen auf nationaler und internationaler Ebene.
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